Spielerfrauen erzählen vom Leben mit Fussballern: Geld macht selten glücklich

Eine Dokumentation begleitet die Partnerinnen von fünf Stars. Vom Klischee, die Frauen schwelgten voller Unbeschwertheit im Luxus, bleibt wenig übrig.

Sven Haist, London 4 min
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Während des Champions-League-Finals 2023 trug Sara Gündogan noch das Trikot von Manchester City, wo ihr Mann Ilkay spielte. Von seinem Wechsel nach Barcelona erfuhr sie kaum früher als die Öffentlichkeit.

Während des Champions-League-Finals 2023 trug Sara Gündogan noch das Trikot von Manchester City, wo ihr Mann Ilkay spielte. Von seinem Wechsel nach Barcelona erfuhr sie kaum früher als die Öffentlichkeit.

Getty

Im Gespräch mit ihrer Schwester bricht für Taylor Ward eine Welt zusammen. Soeben hat sie von ihrem Ehemann, dem Profifussballer Riyad Mahrez, erfahren, dass er nach vielen Jahren bei Manchester City per sofort zu al-Ahli nach Saudiarabien wechseln wird. Angesichts dieser Vorstellung fängt Ward zu weinen an und schluchzt mit tränenreicher Stimme, sie liebe zwar ihren Mann, aber nicht die Sache.

Bisher hat das britische Model und die Tochter einer Reality-TV-Bekanntheit ihr Leben ausschliesslich in Manchester verbracht. Doch jetzt ist der Umzug ins Ausland unvermeidlich. Die 26-Jährige erzählt, dieses Szenario sei immerzu ihre grösste Sorge gewesen – und fügt den bitter klingenden Satz an, sie habe das Gefühl, eigentlich keine Wahl zu haben.

Auf ähnliche Weise beschreibt Wards gute Freundin Sara Gündogan die Herausforderung eines Spielertransfers. Ihr Partner, Ilkay Gündogan, verabschiedete sich wie Teamkollege Mahrez ebenfalls im Sommer 2023 aus Manchester, er unterschrieb nach monatelanger Bedenkzeit beim FC Barcelona. Trotzdem schien seine Lebensgefährtin kaum in die Entscheidung eingebunden gewesen zu sein und auch nicht wesentlich früher als die Öffentlichkeit von dem Wechsel erfahren zu haben. Ihr sei lediglich mitgeteilt worden: «Okay, wir ziehen jetzt um.»

Der Lebenseinschnitt habe sich so unverzüglich vollzogen, dass sie ihn zunächst nicht einmal realisiert habe, sagt Sara Gündogan. Während ihr Mann mit der deutschen Nationalmannschaft auf Länderspielreise ist, packt sie im gemeinsamen Apartment in Manchester die Koffer.

Die beschriebenen Sequenzen stammen aus der kürzlich auf Amazon Prime erschienenen sechsteiligen Dokumentation über Spielerfrauen im Spitzenfussball. Der vielsagende Titel: «Married to the game», verheiratet mit dem Spiel. Protagonistinnen sind fünf Frauen, deren Partner zu Beginn der Aufzeichnungen in der englischen Premier League spielten: Ward und Gündogan sowie Catherine Harding (Freundin des Arsenal-Mittelfeldspielers Jorginho), Ashley Turner (Ehefrau des Nottingham-Torwarts Matt Turner) und Samantha Tarkowski (Lebensgefährtin des Everton-Verteidigers James Tarkowski).

Trailer der Dokumentation «Married to the game».

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Die Serie befragt die Frauen zum Zusammenleben mit Fussballern und begleitet sie durch ihren Alltag. Der Blick hinter die Kulissen geht über die bisher häufig oberflächliche Darstellung solcher Frauen hinaus. Tarkowski sagt, sie hasse den Begriff «WAGs», unter dem die Partnerinnen von Fussballern («wives and girlfriends») wenig schmeichelhaft in England zusammengefasst werden, weil er sie «in eine Schublade stecke».

Victoria Beckham prägte ein Zerrbild

Die Bezeichnung hatte sich bei der Fussball-WM 2006 in Deutschland etabliert, als die ebenso schillernden wie trinkfesten WAGs der englischen Nationalspieler, unter ihnen David Beckhams Gattin Victoria, wochenlang die Boulevardpresse beschäftigten.

Die Nachwirkungen sind aus Sicht von Tarkowski und Gündogan heute noch zu spüren. Jeder habe das falsche Bild vor Augen, dass WAGs ein glamouröses und sorgenfreies Leben führten, bei dem die ganze Zeit Champagner getrunken werde und es um materielle Dinge gehe, kritisiert Tarkowski.

Als Frau eines Fussballers stehe man manchmal «im Abseits», berichtet Gündogan. Obwohl sie als Model und TV-Moderatorin um die Welt gereist sei und sechs Sprachen beherrsche, sei alles plötzlich nichtig und sie nur noch «seine Frau». Sie habe ihre Spontanität verloren und erst wieder eine eigene Identität finden müssen. Die Dreharbeiten hätten ihr die Chance gegeben, ein bisschen von ihrer Persönlichkeit zu zeigen, erzählte Gündogan der Boulevardzeitung «Daily Mail».

Tatsächlich liefert die Doku den Eindruck, dass die WAGs ein bisweilen eher hartes und insbesondere auch abhängiges und einsames Leben führen. Den Ton setzt Sara Gündogan, indem sie klarstellt, die Beziehung zu einem Fussballer lasse kein stabiles und ruhiges Leben zu. Zwar werde ihr immer suggeriert, dafür alles zu besitzen. Aber in Wirklichkeit sei sie bloss mit einem Mann zusammen, der alles habe. Als Mutter müsse sie viel opfern. Und wenn man die eigene Karriere hintanstelle, habe man auf einmal nichts mehr.

Die eigene Berufung vernachlässigt

Dabei sei es für sie eigentlich wichtig, auf eigenen Beinen zu stehen, betont die 29-Jährige. Nach Ilkays Karriere plant sie, zurück nach Italien zu ziehen. Sie habe ihm bereits angekündigt, dass sie dann arbeite und er auf die Kinder aufpasse – doch Ilkay lache bis jetzt immer darüber. Auch die professionelle Sängerin Harding beklagt, ihre Berufung vernachlässigt zu haben. Sie habe schon vor zu langer Zeit aufgehört und wolle unbedingt wieder einsteigen. Und Ash Turner gibt zu, die Priorität ihres Mannes sei Fussball, und deshalb unterstütze sie seine Träume und Karriereziele.

Als Taylor Ward vom Wechsel ihres Mannes Riyad Mahrez nach Saudiarabien erfuhr, brach für sie eine Welt zusammen.

Als Taylor Ward vom Wechsel ihres Mannes Riyad Mahrez nach Saudiarabien erfuhr, brach für sie eine Welt zusammen.

Marc Atkins / Getty

Die Eigenständigkeit der Frauen leidet unter den Beziehungen. Obwohl sich die Autoren bemühen, diese hervorzuheben, lassen sich selten entsprechende Szenen finden. Meist werden die Frauen in Bezug zu ihrem jeweiligen Mann gezeigt – so wie Harding an ihrem Geburtstag, den sie erneut ohne ihren sich gerade im Ausland aufhaltenden Partner Jorginho feiert. Für seine Rückkehr macht sie sich besonders chic, weil alle um seine Aufmerksamkeit kämpfen, wie sie sagt. Da es speziell nach Umzügen Zeit benötige, Freunde zu finden, könne man sich hin und wieder allein fühlen, sagt Sara Gündogan. Die Spieler hätten einen Job und seien zudem ständig unterwegs.

Die Aussagen relativieren die immer noch oft vorherrschende Haltung, dass Geld allein glücklich mache. Allerdings: Am Ende der letzten Folge gesteht Taylor Ward, dass sie ihr leben nicht anders haben wolle. Trotz allem.

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