Der libertäre Bestsellerautor Markus Krall zieht in die Schweiz und verabschiedet sich aus der deutschen Parteipolitik

Der als Crash-Prophet bekannt gewordene Unternehmensberater will verhindern, dass er «die von Hitler erfundene Wegzugssteuer» bezahlen muss.

Erich Aschwanden 3 min
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Kürzlich hat sich Markus Krall aus der Werteunion zurückgezogen.

Kürzlich hat sich Markus Krall aus der Werteunion zurückgezogen.

PD

Markus Krall fällt auf. Als eine «Art Pop-Star unter den politischen Verschwörungsideologen» bezeichnete ihn die «Süddeutsche Zeitung». Der Unternehmensberater gehört zu den Wortführern der rechtslibertären Szene in Deutschland. Zuletzt machte er im Februar Schlagzeilen. Damals trat Krall unter grossem Getöse aus der Werteunion von Hans-Georg Maassen aus. Bei der Parteigründung des ehemaligen Präsidenten des deutschen Verfassungsschutzes hatte er noch eine zentrale Rolle gespielt.

Inzwischen ist klar, dass diese Entscheidung mehr bedeutet als das Ende eines Streits im rechten Lager, wie das Onlineportal muula.ch als erstes berichtet hat. «Ich verabschiede mich aus der deutschen Parteipolitik», sagte Krall der NZZ. «Die politischen Rahmenbedingungen und die Kultur in Deutschland sind so zugrunde gerichtet worden, dass ich mich in diesem System erst mal nicht mehr engagieren werde.»

«Deutschland respektiert Eigentum nicht»

Der 61 Jahre alte Wirtschaftswissenschafter belässt es nicht bei blossen Worten, sondern kehrt seiner Heimat tatsächlich den Rücken. Vor kurzem hat er in der Schweiz eine Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) beantragt. Zudem ist er dabei, in der Schweiz eine neue Firma zu gründen. Derzeit lebt Krall in Schaffhausen direkt an der deutsch-schweizerischen Grenze. Definitiv niederlassen will er sich im Kanton Thurgau, den er bei mehreren Besuchen als «idealen Wohnort» kennengelernt habe.

Krall verbindet seinen Abschied mit beissender Kritik an seiner Heimat. «In Deutschland wird das Eigentum nicht mehr respektiert. Es gibt hier keine Willkommenskultur für Leistungsträger, wie sie in der Schweiz zum Glück immer noch vorhanden ist.»

Auf X (früher Twitter), wo er mehr als 170 000 Follower hat, legt der Bestsellerautor noch eine Schippe drauf und schreibt: «Ich gründe mein neues Unternehmen von Anfang an nicht in Deutschland, weil ich niemals in die Lage kommen will, die von Hitler erfundene Wegzugssteuer zu bezahlen.» Mit dieser Wortwahl spielt er auf die 1953 abgeschaffte Reichsfluchtsteuer an. Diese Steuer wurde von den Nationalsozialisten eingesetzt, um emigrierte jüdische Bürger zu enteignen.

Krall ist überzeugt, dass er sich in der Schweiz wohlfühlen wird. Er bewundere das Land für seine freiheitliche Tradition, die den Bürgerinnen und Bürgern viel Verantwortung übertrage. Deshalb sei die Schweiz in der Vergangenheit nie so lange auf dem falschen Weg gewesen wie Deutschland. «Es gab immer wieder Menschen, die das Land wieder auf den richtigen Pfad zurückgebracht haben», sagt er. Er hoffe, dass dem offenen Dialog in der Schweiz auch in Zukunft ein hoher Stellenwert beigemessen werde.

Markus Krall verfügt nach Recherchen der «Süddeutschen Zeitung» über gute Kontakte in die Reichsbürgerszene. Insofern ist interessant, dass er seinen Wohnsitz in den Thurgau verlegen will. Der Ostschweizer Kanton gilt in der Schweiz als Hochburg der Staatsverweigerer. Wie die Reichsbürger sprechen diese den Behörden jegliche Legitimität ab.

Der Unternehmensberater ist wegen seiner rechtskonservativen Ansichten auch in der Schweiz umstritten. Vor wenigen Tagen konnte er einen Vortrag vor dem Liberalen Institut wegen Protesten aus universitären Kreisen nicht wie geplant in den Räumlichkeiten der Universität Zürich halten, sondern musste ins Memox an der Europaallee ausweichen. Ausserdem sollte Krall vor dem «Liechtensteintag» referieren. Aufgrund seiner engen Kontakte zur Reichsbürgerszene zog die Liechtensteiner Gemeinde Ruggell im Februar die Bewilligung für die Veranstaltung zurück, die sie vor dem Erscheinen der Recherchen der «Süddeutschen Zeitung» erteilt hatte.

Sieg vor Gericht

Ähnliches war Krall im November 2022 widerfahren. Damals wurde er kurzfristig als Gastreferent für die Vollversammlung des Dekanats des Bistums Chur ausgeladen, weil das Portal kath.ch Krall im Vorfeld vorgeworfen hatte, er vertrete eine antidemokratische und antisemitische Gesinnung. Er klagte gegen die Autorin des Artikels und gewann in erster Instanz vor dem Bezirksgericht Zürich. Das Verfahren wurde weitergezogen und ist noch nicht abgeschlossen.

Vorerst will sich Krall auf seine Tätigkeit als Autor und Vortragsredner beschränken. In wenigen Tagen erscheint sein neustes Werk «Die Stunde Null. Ein neues Wirtschaftswunder ist möglich». Welchen Geschäftszweck seine neue Firma verfolgt, will Krall noch nicht im Detail bekanntgeben. Das Unternehmen soll aber im Bereich Edelmetalle tätig sein. Damit kehrt Krall in eine Branche zurück, die ihm bestens vertraut ist: Von 2019 bis 2022 war er Geschäftsleiter der Degussa Goldhandel.