Auf der Suche nach verlorenen Dialektwörtern: Sag mir, wo die Bowèèrli sind. Und wo ist das Bütschgi geblieben?

Begriffe wie «Summervögeli» könnten in diesem Jahrhundert aussterben. Und wer sagt heute noch «Binätsch»? Die Mundart ist im Wandel – und bleibt dabei sehr lebendig, wie jüngste Studien zeigen.

Urs Bühler (Text), Roland Shaw (Karte) 10 min
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Tief sitzt der Schock: Das «Summervögeli» verschwindet! Immerhin ist sein Rückzug in diesem Fall nicht dem Insektensterben geschuldet, es wird auch von keinen asiatischen Invasoren verdrängt wie das einheimische «Mariechäferli». Es ist der allgemeine Sprachwandel, der ihm zusetzt: Das Dialektwort verdrängt der teutonisch gefärbte «Schmätterling». Hatte ihn in einer Befragung vor siebzig Jahren erst jede fünfte Person in der Deutschschweiz gewählt, waren es im Jahr 2020 neun von zehn. Das zeigt ein Nationalfondsprojekt der Universität Bern, und die Verantwortlichen wagen eine Prognose: «Sommervogel» wie «Pfiifalter» dürften Ende dieses Jahrhunderts ganz ausgestorben sein.

Ein ähnliches Schicksal droht vielen Wörtern, etwa im weiten Feld der Kulinarik. Geht es um Essen und Trinken, spielen Erinnerungen und Emotionen mit, und da müsste die Mundart uns eigentlich besonders naheliegen. Gleichzeitig hat sie es schwer in Zeiten, in denen Feinschmecker sich Foodies nennen (was für Dialekt verwöhnte Ohren nach Hinterteilen klingt) und deutsche Markenbotschafter auf allen Kanälen «Lecker!» schreien.

So hat der gute alte «Anke» den Angriff der Margarine vor Jahrzehnten souverän überstanden, doch der sprachliche Verdrängungskampf durch die «Butter» ist in vollem Gange, wie der «Dialäkt-Atlas» der erwähnten Nationalfondsstudie zeigt: In der Befragung 2020 verwendete bei den unter 40-Jährigen gut jede zweite Person «Butter» – siebzig Jahre früher war es knapp jede achte gewesen (wobei damals vor allem ältere Leute einbezogen waren).

«Binätsch» reimt sich schön auf «Lätsch»

Und was ist eigentlich mit «Bowèèrli» und «Binätsch»? Als ich ein Dreikäsehoch war und mit Grünzeug wenig bis nichts anfangen konnte, waren das in meinem Zürcher Elternhaus zwei gängige Begriffe für grüne Erbsen und für Spinat. «Binätsch» reimte sich so schön auf den «Lätsch», den ich riss, wenn die verhassten, verkochten Blätter auf dem Teller des Verzehrs harrten. Die wohlklingenden «Bowèèrli» waren mir etwas lieber, auf der Zunge wie im Ohr. Ihr Name ist, wie ich erst viel später lernte, von den französischen «pois verts» inspiriert, ähnlich wie das «Quelleheurettli» meiner Grosseltern, also die von «quelle heure est-il» abgeleitete Uhr.

Mein Gaumen hat sich längst mit fast allem Grünzeugs versöhnt – die alten Dialektbezeichnungen aber nehme ich seltener in den Mund. Wenn ich am Tisch mit Freunden sie darum bitte, mir den «Anke» zu reichen, ernte ich oft fragende Blicke. Auch «Nidel» ist höchstens noch in den Komposita «Nidelzältli» und «Nideltörtli» geläufig; statt «Rüebli» heisst es immer öfter «Karotte» und «Kartoffle» statt «Härdöpfel», so wie «Stäge» durch «Träppe» und «Ross» durch «Pfärd» verdrängt zu werden drohen, ganz zu schweigen von «Bölle». Das ist doch wie Zwiebeln schälen: zum Heulen.

Aber halt, ich habe mir vorgenommen, die Entwicklungen möglichst ohne weinerlichen Unterton festzuhalten – wie auch den Umstand, dass ich als gebürtiger Zürcher in meiner Heimatstadt Zürich bald schon als Rarität gelte. Vielleicht hilft ein Besuch bei Sandro Bachmann weiter, Redaktor des Schweizerischen Idiotikons (so heisst das Dialektwörterbuch wie auch die Institution, die für die Dokumentation des Schweizerdeutschen zuständig ist). Der Sprachwissenschafter, dessen Wurzeln unüberhörbar im Oberwallis liegen, beruhigt zunächst einmal grundsätzlich: «Keine Sorge, die Dialekte werden ganz sicher nicht verschwinden, denn wir verwenden sie alle täglich. Und wenngleich es vielen schwerfällt, den Wandel der Mundart zu akzeptieren, ist er ein gutes Zeichen. Er zeigt, dass die Sprache viel gebraucht wird.»

Mit anderen Worten: Tot ist nur, was sich nicht mehr ändert. Allerdings schrumpft der Anteil jener, welche die Mundart mit der Muttermilch einsaugen. Haben regionale Eigenarten überhaupt noch eine Chance angesichts der wachsenden hochdeutschen und englischen Einflüsse, der Zuwanderung aus anderen Ländern und Binnenmigration zwischen den Kantonen? «Das kann zu einer gewissen Vermischung beim Individuum führen», räumt Bachmann ein. «Als Gesamtphänomen würde ich es aber eher als Nivellierung bezeichnen. Sie betrifft vor allem den Wortschatz, da er für die Verständigung zentral ist. Ich selbst wallisere bedeutend weniger, wenn ich in Zürich bin, besonders in Bezug auf die Intonation und den Sprechrhythmus.»

Im Sitz der Idiotikon-Redaktion über dem Zürcher Central ziehen sich die Bücherregale über fünf Räume hinweg: Lexika, Fachbücher, uralte Quelltexte, Mundartliteratur, im Keller ruhen die Periodika. Sandro Bachmann, sagt Ihnen «Bowèèrli» etwas? Ein Lächeln, ein Kopfschütteln: «Noch nie gehört.» – «Binätsch?» Kennt er. Woher? Ein Stöhnen: «Seit ich beim Idiotikon arbeite, weiss ich noch weniger, ob mir ein Wort aus meinem eigenen Dialekt bekannt ist oder woher auch immer.»

Schon über 160 Jahre dauert die Arbeit an diesem Opus magnum, das der Männedorfer Privatgelehrte Fritz Staub initiierte. Im Grunde ist sie nie abgeschlossen, die ersten Idiotikon-Bände etwa bedürften vieler Nachträge, die in einem Kasten lagern. Und doch steht die Sammlung, die auf der Basis schriftlicher oder mündlicher Quellen den Wortschatz bis zurück ins Hochmittelalter spiegelt, kurz vor der Vollendung: Man ist beim Buchstaben Z angelangt, Bachmann stellt gerade den Artikel zu «Zoll» fertig. Er schlägt unter dem Stichwort «grüne Erbsen» nach – und findet tatsächlich einen Eintrag für «Bowèèrli», samt ein paar uralten Nachweisen aus dem Aargau, dem Appenzellischen, aus Basel, Graubünden, Luzern, dem St. Galler Rheintal. Bald gilt es wohl ein Grabkreuz hinter das Wort zu setzen.

Die hiessen in Zürich einst «Bowèèrli», heute sagen fast alle «Erbsli». Und diese täuschend echt aussehenden Exemplare sind ohnehin aus Plastik.

Die hiessen in Zürich einst «Bowèèrli», heute sagen fast alle «Erbsli». Und diese täuschend echt aussehenden Exemplare sind ohnehin aus Plastik.

Annick Ramp / NZZ

Nun gut, auf Speisekarten in Zürcher Restaurants findet man «Chäschüechli» «Ghackets mit Hörnli», «Züri Gschnätzlets», «Öpfelchüechli». Und die Renaissance regionaler Küchen hat ein paar Wirtsleute zu Experimenten mit dem Dialekt verführt, etwa im «Rechberg», der vor einigen Jahren von spanisch auf heimisch umsattelte und die Karte zumindest am Anfang ganz in Mundart hielt. Da fanden sich dann Gerichte wie «saftig grilierte Chicoree mit Öpfelanke Paste und eme Salat us Brunnenkresse und Chatzeseicherli». Dass Letztere für Americano-Trauben stehen, dürften noch manche wissen, die längst «Erbsli» sagen statt «Bowèèrli».

Der Siegeszug des Löwenzahns

Wie sich die Mundart vor siebzig, achtzig Jahren präsentierte, spiegelt der achtbändige «Sprachatlas der deutschen Schweiz». Er führt aufgrund von Befragungen in den 1940er und 1950er Jahren anhand ausgewählter Beispiele die alemannischen Mundarten grafisch vor Augen und liegt nun in vollständig digitalisierter Form vor: Das Idiotikon-Team macht ihn auf www.sprachatlas.ch schrittweise der Öffentlichkeit frei zugänglich. Den Kern bilden Hunderte Schweizer Karten, auf denen sich regionale Varianten abrufen lassen, unter Oberbegriffen wie «Stalljauche» oder «Wolldecke». Beim Stöbern findet man etwa heraus, welche über hundert Wort- und Lautvariationen es einst für «Ameise» gab. Und für die zwei verlorenen Begriffe meiner Kindheit liefern die Karten zahlreiche Nachweise in der ganzen Nordostschweiz.

Verlass ist hierbei auch auf das «Zürichdeutsche Wörterbuch» von Heinz Gallmann (2009). Es kennt nicht nur das vom italienischen «Spinacio» abgeleitete «Binätsch» – samt der Redewendung «im Binätsch usse» für einen abgelegenen Ort –, sondern auch die «Bowèère», samt Diminutiv «Bowèèrli» und der Nebenbedeutung «Kefe»: Für den Löwenzahn listet der dicke Band allein im Kanton Zürich über zwanzig verschiedene Namen auf, von der züritypischen «Chrottepösche» über «Pfafferöörli» bis zu «Chüngeli­chruut». Diese Vielfalt ist inzwischen arg dezimiert, wie der neue «Dialäkt-Atlas» zeigt. Bei der jungen Generation scheint sich zwar im Bernischen die «Söiblueme» wacker zu halten, während sich in der Nordostschweiz eine Invasion von «Löwenzahn» ankündigt. Beim «Summervogel» finden wir im «Zürichdeutschen Wörterbuch» schon die Anmerkung, das viel jüngere «Schmetterling» nehme überhand. Er ist übrigens eine Bildung zu «Schmetten» für «Rahm», da sich diese Falter gerne auf Milchgefässe setzten, wie auch das englische «Butterfly» andeutet.

Nun also scheint des «Summervogels» Ende besiegelt, wie auch der «Tages-Anzeiger» unter dem Titel «Diese Dialektwörter sterben bald aus» verkündet hat. Dasselbe gelte für das Wort «Kanapee», das in einigen Jahrzehnten ganz von «Sofa» abgelöst werde. Nicht bedacht worden ist dabei allerdings, dass sich der Begriff in der Gastronomie halten könnte – als Bezeichnung für belegte Toastbrötchen. Ohnehin lässt sich das Aussterben von Wörtern kaum verlässlich voraussagen. Das Orakel des «Tages-Anzeigers» stützte sich zwar auf Prognosen der Berner Nationalfondsstudie, doch Blicke in die Zukunft sind nur ein spielerischer Nebenaspekt dieses Projekts am Institut für Germanistik der Universität Bern.

Als Basis ist rund ums Jahr 2020 in 127 Ortschaften der Sprachgebrauch von gut tausend Personen aus zwei Generationen (Boomers und Millennials) erfragt worden. Dies knüpft mit modernen Mitteln an den alten «Sprachatlas» an, so dass die Entwicklung seit der Mitte des letzten Jahrhunderts beleuchtet werden kann – mit gewissen Unschärfen allerdings: Da die neue Erhebung auf 127 Orte beschränkt war, hat man beispielsweise bei Vergleichen beim alten Datenmaterial ebenfalls nur diese berücksichtigt, also einen Bruchteil der damals 566 einbezogenen Orte.

Die Auswertung und Einordnung ist noch im Gange. Doch die Daten sind gesammelt – und erste Ergebnisse abrufbar unter www.sdats.ch, wo ab kommendem November der populärwissenschaftlich orientierte «Dialäkt-Atlas» zugänglich gemacht wird. Nebst dem Wortschatz werden auch regionale Eigenarten in der Grammatik beleuchtet, etwa der Umstand, dass die zwei bekanntesten Schweizer Grossverteiler in allen drei Geschlechtern vorkommen.

Anruf bei Adrian Leemann, dem Leiter dieser Studie. «In unserer Sprache ist gerade vieles im Wandel», sagt der Germanistikprofessor, in Zofingen geboren als Sohn eines Zürchers und einer Thurgauerin. Allerdings führen die Veränderungen nicht nur in eine Richtung, wenngleich die Erhebung die Tendenz bestätigt, dass wie fast überall in Europa die regionale Vielfalt schwindet: Erstens greifen hierzulande die Dialekte aus den grössten Städten dank deren Einfluss als Wirtschaftsmotoren um sich, zweitens nehmen hochdeutsche Einflüsse weiter zu. Doch die selbstverständliche Verankerung des Dialekts in Alltagsgesprächen aller Schichten und seine starke Rolle in der neuen Schriftlichkeit (etwa im SMS-Verkehr) spielt der Mundart in die Hände.

Wenig überraschend ist, dass das deutsche «Kerngehäuse» dem praktischen «Bütschgi» nichts anhaben kann. Letzteres erobert nun, zulasten regionaler Bezeichnungen wie «Bätzi» und «Gütschi», von Zürich aus die halbe Deutschschweiz: Bei der Befragung zum alten Sprachatlas gab jede achte Person «Bütschgi» an – bei jungen Erwachsenen von heute (Jahrgänge 1985 bis 2002) jede vierte. An dieser Generation lassen sich aber auch erstaunliche Tendenzen ablesen.

Diese Daten beziehen sich auf die zwischen 1985 und 2002 geborene Generation

So verwenden weniger als zwei Fünftel der Befragten für die Käsekruste im Fondue-Caquelon die standardnahe Bezeichnung «Chruschte», dafür knapp die Hälfte den vorher im Raum Sankt Gallen und im Emmental gebräuchlichen Übernamen ungeklärten Ursprungs: «Grossmuetter» (oder als Varianten «Stief-/Schwigermueter»). Und für Brot­anschnitt setzt sich fast im ganzen Kanton Bern nicht etwa «Aaschnitt» durch, sondern das früher nur auf ein kleines Gebiet beschränkte «Mürggel». Das einst in der Zentralschweiz dominante «Gumel» für «Kartoffel» wiederum, das dann nach Schwyz zurückgedrängt wurde, gewinnt mit den Millennials in umliegenden Kantonen Terrain zurück.

Eine wissenschaftlich abgestützte Erklärung für diese Phänomene hat Leemann noch nicht parat, dafür ein Bauchgefühl: «Ich glaube, es hat mit der Ästhetik und Originalität des Worts zu tun.» Das zeige sich auch beim Siegeszug von «giireizle», das sich dem Trend zur sprachlichen Dominanz städtischer Zentren widersetzt: Es sei im Vergleich zur Deutschen «schaukeln» sehr eigenständig, was die Chance auf ein Revival erhöhen könnte.

Ist also das «Bowèèrli» einfach zu wenig originell, um eine Wiedergeburt zu erleben? Ich gebe es noch nicht auf und spanne den Primarlehrer Daniel Manz ein: Er startet eine kleine Umfrage bei seinen 5.- und 6.-Klässlern in Hirzel über dem Zürichsee. Von 19 Kindern, fast alle mit mindestens einem Schweizer Elternteil, haben 2 schon einmal «Binätsch» gehört, bei der Grossmutter und beim Vater. «Bowèèrli» sagt keinem etwas, aber eines merkt an, der «Chaschperli» brauche auch solch alte Wörter: Jörg Schneiders legendäre Hörspiele für Kinder mögen heute als politisch inkorrekt gelten, ihr sprachkultureller Beitrag ist aber beträchtlich.

Wörter kommen, Wörter gehen. Die Schweizer Mundart aber bleibt. Jedenfalls ist sie quicklebendig und vielfältig wie kaum woanders auf so kleinem Raum. Sandro Bachmann vom Idiotikon ist überzeugt, dass sie als Ganzes ein Revival erlebt hat: «Es ist wieder cool geworden, den Dialekt zu verwenden, auch in der Werbung, und vor allem im Schriftlichen hat er klar an Bedeutung gewonnen.» Vom Blühen der Mundarten handelt auch der Film «Omegäng», der soeben in den Kinos angelaufen ist. Es ist eine schöne Hommage an die Kraft unserer Sprache, von Zürich bis ins Appenzellische, wo urchige Kerle zu Wort kommen, die nie aus ihrem Dorf herausgekommen sind. Dabei geht es auch um Ausdrücke, die unersetzlich sind, da sie gar kein Pendant im Hochdeutschen kennen – wie «omegäng» oder «aaheimele».

Schmiermittel und Bollwerk

Ja, die Mundart hat oft eine lautmalerische Farbe und Kraft, die das Standardrepertoire verblassen lässt. Sie gilt als Schmiermittel im Alltag ebenso wie als Bollwerk gegen die sprachliche Vereinnahmung durch den grossen Kanton, wie Deutschland hier scherzhaft genannt wird. Entsprechend gereizt sind die Reaktionen, wenn mutmasslich deutsche Werbeleute versuchen, sich mit mundartlichen Botschaften anzubiedern. So setzte sich Coop vor einigen Jahren mit dem Slogan «Chame das grille?» in die Nesseln. Man wollte Nähe zum Volk zeigen, doch bei diesem hiesse das eher «brätle» –
oder «grillieren» auf Schweizerhochdeutsch.

Der Wortschatz des Schweizerhochdeutschen, Helvetismen genannt, hat leider einen immer schwereren Stand; manche Hochschulprofessoren streichen ihren Studierenden solche Begriffe gar rot an. Dialekte lassen sich zum Glück nicht so leicht massregeln wie die sogenannte Standardsprache, die als Speerspitze der landestypischen Eigenarten allerdings ein Wort auch in den Mundarten puschen kann. Darauf deutet der Siegeszug der «Rande» in fast allen Regionen der Deutschschweiz hin – die deutsche «Rote Beete» hat hier auf allen Ebenen keinen Stich. Auch der «Nüsslisalat», der es sogar in die «New York Times» geschafft hat (zumindest auf deren Rezeptseiten), hält sich durchwegs wacker.

Dem Sommervogel allerdings scheint selbst der Status des Helvetismus wenig zu helfen. Und «Bowèèrli» und «Binätsch» können schon gar nicht auf diesen Bonus zählen. Gibt es noch Hoffnung für sie? Weder Bachmann noch Leemann können ein vermeintlich ausgestorbenes Dialektwort nennen, das eine Auferstehung hätte feiern können. Die einzige Chance wäre vielleicht, dass eine Rapperin einen «Bo, Bo, Bowèèrli» – oder «Bitsch-Binätsch»-Song lancierte, der zum Hit würde?

Als ich in der Zürcher «Altstadt-Bar» über diesem Essay brüte, erspähe ich an einem Tisch Christoph Sigrist, landesweit bekannt geworden als Grossmünster-, pardon: Grossmöischter-Pfarrer. Auf meine Frage, wie er Spinat nenne, kommt, wie aus der Pistole geschossen: «Binätsch!» Und Erbsli? «Bowèèrli!», entgegnet Sigrist, Jahrgang 1963, nach kurzem Zögern. Bei ihm heisse es auch «Hung» statt «Honig», fügt er an. Da riskiert er allerdings in hiesigen Restaurants, dass ihm statt süssem Aufstrich ein Hund serviert wird.

Ein kleiner Lichtblick zum Schluss, immerhin. Aber ich denke, ich gebe nun das Grünzeug auf und konzentriere mich im Dienst der lexikalischen Artenvielfalt auf die Hoffnung, den «Summervogel» vor dem Untergang zu retten. ■

Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»

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